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[PDF] Timo Schmitz: “An Overview of Tibetan History – 4th edition” (2024)

Transcending simplistic Western narratives, this book offers a nuanced perspective on Tibetan history.  It delves beyond the confines of Central Tibet, providing a brief overview of the entire Tibetan cultural sphere across two millennia.  Driven by a commitment to scholarly accuracy and fair representation, the author invites critical engagement and welcomes diverse viewpoints.  Readers are encouraged to challenge established misconceptions and embark on a thought-provoking exploration of this rich and complex historical landscape.

[PDF] Timo Schmitz: “Unveiling the Juche Idea: A Visual Guide to the Basic Characteristics” (2024)

This diagram visually represents the core principles of Juche, the North Korean political ideology said to be developed by Kim Il-sung. It emphasizes the significance of man and his role in answering the fundamental question of philosophy according to the North Korean state’s self-understanding.

DOI: 10.13140/RG.2.2.24754.62402

Cooperation among religions is the key!

Translated from Spanish by the author himself. Original title: ¡La cooperación entre religiones es la clave! [Published in: Contribuciones a la religión, 2022, p. 189]

It is sometimes interesting to see, how much a believer of a religion is focused on his own religion without looking to others. What is so bad about looking at other religions? In fact, we should cooperate more with churches of another faith, we could even celebrate mass with them. Now some will say: But religions differ so much, how can they celebrate together? For instance, Christians believe in Jesus as the one who died for us and rescued mankind, something Buddhists do not believe. And Buddhists might say that the Christian view about God is too personal, like a superhuman, a copy of man, which does not convince them. In fact, I already researched a lot of religions: world religions, indigenous and folk religions, and new religious movements. And usually, religions share a lot.  If we look at different theologies, they often do in fact only differ in a few points, but these very little points are core parts of their teaching: Christianity without Jesus is impossible, so is Buddhism without nirvana. But though these theological standpoints are very important for believers, and even essential, they are only very minor issues in the big cosmos of religion. For instance, most religions protect human life and condemn murder, in most religions cheating others is prohibited, and most religions have a well-established welfare system.

And even further, many religions interact with each other in some way. For instance in Korea, we find new religious movements which syncretize East and South Asian beliefs such as Buddhism and Daoism with Christianity. Some might think that it is a quite new phenomenon that religions mix with each other, but in fact it is not: Even the Bible was not built on an empty space, but shows clear traces of Canaanite religion, Zoroastrianism, and Hellenic philosophies, among others. The first chapters of Genesis are highly influenced by Mesopotamian mythology. And religion is a quite dynamic concept – which is why I think that we should separate religion and God. God exists independently from religion. And religion is always developing. There was never a stage, when people stopped re-creating religion. So religion is dynamic and a creative process of thoughts due to reflections. And among the many, many religions in this world, though the very core theologies might differ enormously, they have so much in common, so why does cooperation hardly go beyond the very surface?

Published on 15 April 2024

Eine Zusammenfassung meines Verständnisses der Rolle Jesu in einem pluralistischen Weltbild

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: The different layers of my Judeo-Buddhist philosophy [26 January 2023]

Meine jüdisch-buddhistische Philosophie versucht, die Weisheit des Judentums und seines monotheistischen Gottes mit der Weisheit des Buddhismus zu verbinden und lehrt die Notwendigkeit der Erleuchtung. Sowohl das Judentum als auch der Buddhismus sind inhaltlich tatsächlich sehr eng miteinander verbunden. Die jüdische und buddhistische Philosophie sind zwar an die jeweiligen Religionen gebunden, aber Religion und Philosophie hatten schon immer eine enge Beziehung zueinander. Dies gilt auch für diejenigen, die Atheisten, Deisten oder Agnostiker sind, da ihre philosophische Weltanschauung mit ihren religiösen Überzeugungen einhergeht. Das Leben ist also mehr oder weniger Religion, und es gibt kein Leben ohne Religion.1 Zweitens sind wir als Menschen begrenzte Wesen, was im Gegensatz zu Gott steht, der Absolutheit, Vollkommenheit oder, wie im Dzogchen, die Allgüte verkörpert, wobei wir sagen können, dass die Neuplatoniker und Al-Farabi Recht hatten, dass Gott die erste Ursache ist.

Als begrenzte Wesen ist auch unser Geist begrenzt, aber da wir nach Weisheit streben und räsonieren wollen, betreiben wir Philosophie, die höchste Disziplin aller Vernunft. Und so denken wir natürlich auch darüber nach, wie die Welt entstanden ist und wie sie enden wird, obwohl diese Unsicherheit für den Menschen schrecklich ist: Denn nur wenn wir unseren Anfang und unser Ende kennen, können wir sicher über den Sinn unseres Lebens sprechen. Was der Grund für unsere Existenz, warum wurden wir erschaffen? Philosophen und Theologen verschiedener Zeiten gaben unterschiedliche Antworten. Isaak Luria schlug beispielsweise vor, dass Gott mit göttlichem Licht gefüllte Gefäße auf die Erde schickte. Unterwegs gingen diese Gefäße kaputt, weil sie zu zerbrechlich waren, und so prasselten die göttlichen Funken auf die Erde nieder. Deshalb wurden die Menschen geschaffen, um die Funken zu finden und die Welt zu reparieren. In der jüdischen Tradition wird dies „Tikkun Olam“ genannt.2 Jill Zimmermann (2015) schlägt vor, dass dieser Begriff mit dem Ausdruck „mip’nei tikkun ha-olam“ verbunden ist, was bedeutet, Disharmonie in der Gesellschaft zu vermeiden. Im Buddhismus wird gelehrt, dass unser Geist durch drei Gifte verunreinigt ist, die wir loswerden müssen, um die Erleuchtung zu erlangen. Wir können also sehen, dass beiden, dem chassidischen Judentum und dem Buddhismus, gemeinsam ist, dass sie eine Reinigung vorschlagen. Daher können wir an unseren Verunreinigungen arbeiten und Türen öffnen, die zuvor in unserem Geist verschlossen waren. Durch unsere Weisheit und die Post-Meditations-Praxis übertragen wir unser Wissen der Weisheit in unseren Geist, wir pflanzen es in den Geist ein. Auf diese Weise denken wir nicht mehr nur an uns selbst, also an unser Ego, sondern überschreiten unsere eigene mentale Barriere.

Darüber hinaus müssen wir erkennen, dass das Böse keine metaphysische Realität ist, das Böse ist in uns, es kommt von innen durch die drei Gifte. Bemerkenswert ist, dass das frühe Christentum unter anderem vom Platonismus, Stoizismus und neupythagoräischen Schulen sowie dem Zoroastrismus beeinflusst wurde. Im letzteren Fall wurden Gut und Böse eher dualistisch gedacht. Von Zeit zu Zeit stellte sich die Kirche vor, dass ein tatsächlicher Satan als Dualismus zur Allgüte Gottes existiert, aber aus meiner Sicht entspricht dies nicht wirklich der biblischen Vorstellung von Gut und Böse. Wie Willett klarstellt: „In der jüdisch-christlichen Theologie wird das Böse insbesondere als Makel oder Unreinheit wahrgenommen, die eine ansonsten vollkommene Schöpfung verunreinigt. Die christliche Theologie argumentiert sogar noch expliziter, dass diese Verunreinigung aus dem Ungehorsam Adams im Garten Eden hervorgegangen ist, wie im dritten Kapitel des Buches Genesis im Alten Testament beschrieben wird. […] Allerdings bedeutet dieses Konzept auch, dass im Christentum das Böse von Natur aus unnatürlich ist, da es von Wesen in die Schöpfung eingeführt wurde, die nicht der Schöpfer waren“.3 Nichtsdestotrotz haben wir gesehen, dass eine Synkretisierung möglich ist, da ich denke, dass das Böse eine menschliche Angelegenheit ist, weil Gott nicht für das Böse verantwortlich ist und wir daher die Welt zum Guten verbessern können, wenn wir uns auf unsere Aufgabe konzentrieren, die Welt zu reparieren und einen besseren Ort aus ihr machen.

Ein weiterer wichtiger Einfluss ist der Siebenten-Tags-Adventismus – obwohl ich mich nicht mit der adventistischen Sicht auf die Erlösung – und das chinesische Christentum. Doch gerade diese Einflüsse spielen eine entscheidende Rolle in meinem Versuch, die Welt möglichst ganzheitlich zu verstehen und zeigen mir auch, was wir vom Christentum lernen können. Der Siebenten-Tags-Adventismus ist sehr interessant, weil er eindeutig das jüdische Erbe des Christentums betont. Das chinesische Christentum ist für mich sehr einflussreich, weil es sich vom westlichen Christentum sehr stark unterscheidet und sich das traditionelle chinesische Gottes- und Naturverständnis auch in der Mentalität der Christen in China widerspiegelt. Ihre Perspektive für mich ist daher überzeugender als das Christentum im Westen. In meiner Philosophie unterscheide ich zwischen Jesus als historischer Figur und Jesus als spiritueller Qualität. Beide erfüllen tatsächlich völlig unterschiedliche Funktionen.

Als historische Persönlichkeit war Jesus ein großer rabbinischer Gelehrter von adliger Abstammung und es war nicht seine Absicht, eine neue Lehre zu etablieren, sondern sich auf das jüdische Gesetz und seine Erfüllung zu konzentrieren, wie wir in der Bergpredigt erfahren. Daher war Jesus niemand, der die Gemeinschaft spalten wollte, er selbst und seine zeitgenössische Gemeinschaft sahen sich als Juden. Wir müssen sogar so weit gehen und an der biblischen Darstellung Jesu zweifeln, da die endgültige Zusammenstellung der Bibel erst lange nach seinem Tod erfolgte. So wird Jesus als jemand dargestellt, der sich oft über die Pharisäer und über ihr zu wörtliches Verständnis der Heiligen Schrift beklagte. Unabhängig davon, ob diese Ansicht wirklich historisch ist, ist es richtig, dass Jesus tatsächlich einen anderen Weg gewählt hat: Er wollte die jüdischen Ideale denen lehren, die nicht so gebildet waren wie die Pharisäer. Jesus möchte in seiner Bergpredigt auch explizit das einfache Volk ansprechen, diejenigen, die nicht so gut in der Heiligen Schrift ausgebildet waren. Es geht ihm vielmehr um die richtige Lebensweise! Hier kommen die religiöse und die politische Komponente zusammen. Der historische Jesus war für viele eine Hoffnung, da er höchstwahrscheinlich gegen die Römer rebellierte und die jüdische Nation verteidigte. Es handelte sich also vielmehr um einen politischen Konflikt, in dem verschiedene Teile der Gesellschaft gegeneinander antraten: diejenigen, die das jüdische Volk unterstützten, und diejenigen, die mit den Römern kollaborierten. Jesus unterstützte das einfache Volk und verstand sich selbst als Ausleger des Gesetzes.

Als spirituelle Qualität steht er für den Glauben, auf Hebräisch emuna. Der Sohn wird als Spiegelbild des Vaters verstanden. Wenn wir also den Sohn gesehen haben, dann haben wir auch den Vater gesehen (Johannes 14,9): Es scheint sich um eine Spiegelung zu handeln, einen Prozess der Affirmation. Da Gott in seinem eigenen Reich wohnt, können wir ihn nicht vollständig erfassen. Dennoch möchten wir uns mit Gott verbinden. So bauen wir eine Verbindung zu Gott über unsere Seele auf, da die Seele göttlich ist. Aber wie können wir uns seiner Existenz vergewissern? Woher wissen wir, dass er sich um uns kümmert und dass wir durch seine Gnade gerettet werden? Woher wissen wir, dass er uns unsere Sünden vergeben wird? Die Antwort lautet: Wir müssen auf ihn vertrauen. Ich denke, dass Jesus mit seiner affirmativen Rolle im Glauben in uns die tiefe Kluft zwischen unserer immanenten, materialistischen Welt und dem transzendenten Gott schließt, da sowohl Materialismus als auch Kapitalismus die Menschen eher von Gott wegführen, und so scheint es, dass der Mensch und Gott ganz getrennt sind, obwohl Gott sich nie von uns trennen wollte, und deshalb sind wir durch unsere Seele mit ihm verbunden. Nun fragen sich einige meiner christlichen Freunde vielleicht: Wie kannst du nicht erkennen, dass Jesus tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes für alle unsere Sünden gestorben ist? Meine Antwort lautet wie folgt: Wenn man an Jesus glaubt und wortwörtlich annimmt, was in der Bibel steht, muss Jesus tatsächlich eine spirituelle Qualität haben, denn wie könnte er Gott und gleichzeitig ein Mensch sein, wenn er nicht vergeistigt wäre? Was also zählt, ist nicht, dass er Jesus genannt wurde, sondern dass er die spirituelle Vollkommenheit auf dieser Erde war. Tatsächlich können wir sagen, dass Gott Geist ist, denn diese wohlwollende Schöpfung kann nicht das Ergebnis einer blinden, zufälligen Kraft sein. Wenn man also für Jesus bereit ist, verschwinden die Namen und die geistige Tragweite entfaltet sich uns, denn Gott liebt alle Menschen und nicht nur diejenigen, die ausschließlich namentlich an Jesus glauben. Daher ist es nicht mehr notwendig, diese Kraft Jesus zu nennen, aber jeder Name, der zu dieser spirituellen Qualität passt, ist akzeptabel. Ich denke auch, dass Tangun, Xuan Yuan und der Buddha Gautama im Osten tatsächlich eben diese Funktion erfüllten. Nun mögen einige sagen: Aber Jesus war der Christus und Buddha nur ein Prediger einer asiatischen Religion. Ich denke jedoch, dass ein religiöses Überlgenehitsgefühl nicht gesund ist: Es gibt keinen Grund, warum Gott nur in einem kleinen Bereich der Welt gewirkt haben sollte, während er den Rest der Welt ignoriert hätte. Es gab Propheten vor dem Erscheinen Jesu, und warum sollten sie nur in einem Land oder einer Region erschienen sein?

Das chinesische Christentum ist faszinierend, weil die Chinesen eine besondere Verbindung zur Natur haben: Sie sehen die Natur nicht so statisch wie die Europäer, sondern sie haben ein dynamisches Bild von ihr. Wie Alan Watts betonte: „Die Chinesen betrachten die Natur nicht als etwas Geschaffenes. Sie betrachten sie als etwas, das wächst.“4 Tatsächlich hatten wir in der Vergangenheit auch in Europa diese Ansicht: Gott hat die Welt erschaffen und eine Autopoiese verursacht. Sobald die Samen in der Erde waren, konnten sie nach Gottes Plan von selbst wachsen. Doch die Industrielle Revolution veränderte unsere Wahrnehmung auf die Natur und wir verloren die tiefe Verbindung zu Mutter Erde, die wir zuvor hatten. Das chinesische Volk erkannte auch, dass alle Vernunft (li) von einem göttlichen Prinzip herrührt, und sie gingen davon aus, dass alles aus genau diesem Prinzip entspringt, das kaum benannt werden kann. Deshalb nannten sie es einfach „Dao“, um zumindest einen Namen dafür zu haben, aber trotzdem ist es schwierig, einen wirklich adequaten Begriff dafür zu finden, sodass der Anfang des Universums keinen echten Namen hat (Daodejing, Kapitel 1). Indem wir ihm einen Namen geben, versuchen wir, genau dieses Prinzip zu begreifen, denn alles, was wir nicht benennen, bleibt für uns unerfassbar. Natürlich ist Gott für chinesische Christen auch transzendental. Er existierte, bevor Himmel und Erde erschaffen wurden, und er wird auch dann noch existieren, wenn das Universum nicht mehr existiert. Dennoch ist der transzendente Gott nicht von der Immanenz getrennt, ohne unmittelbaren Einfluss auf diese zu haben, und das ist das Problem, wenn wir Gott und den Kosmos gegenüberstellen: Gott, auf Chinesisch Shen oder Dao genannt, kann nicht vollständig vom Kosmos getrennt werden, weil Gott die Quelle von allem ist und daher die Natur unmittelbar aus Gott hervorgeht, weil die Natur im chinesischen Verständnis ein ziran ist, ein Selbst-so. Dennoch sind Kosmos und Gott nicht identisch, aber es gibt keinen Kosmos ohne Gott, und daher sind Kosmos und Gott eng miteinander verbunden. Die Chinesen haben nämlich bestens verstanden, dass die Natur auf natürliche Weise handelt, indem sie das tut, was sie tun soll (und daher ist die Natur in einem platonischen Verständnis gerecht). Die Natur kann daher gar nicht anders handeln, weil sie gut geordnet und in Harmonie ist und sich nicht aus sich heraus in einem Zustand des Chaos oder der Disharmonie befinden kann – denn Gott hat alles so angeordnet. Und während Gott in unserem westlichen Verständnis (und auch in meinem Verständnis) transzendent ist, sehen die Chinesen Gott im Einklang mit der Immanenz: Gott existiert auf natürliche Weise und da die Natur aus Gott herausfließt, ist sie untrennbar mit Gott verbunden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Paul Hattaway, der sehr lange als christlicher Missionar in China tätig war, zu dem Schluss kommt, dass das Reich Gottes gar nicht so weit entfernt ist, wie wir denken, sondern dass wir es eigentlich fast mit unseren Händen greifen können.Um es auf den Punkt zu bringen: Wir leben in einer dynamischen Umgebung, in der alles seine Ordnung nach Gottes Plan hat. Wir sollten uns Gott also nicht als ein statisches, sondern als ein dynamisch wirkendes Wesen vorstellen, was der jüdisch-christlichen Vorstellung eines persönlichen Gottes entspricht. Ein persönlicher Gott kann nicht passiv und statisch sein, sonst wäre Gott eine Maschine, was er natürlich nicht ist. Nur weil die Eigenschaften Gottes unveränderlich sind, heißt das nicht, dass Gott selbst nicht dynamisch sein kann, denn er ist der Absolute. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Existenz Gottes und seine Eigenschaften ewig sind und sich nicht ändern können. Gott selbst aber ist nicht unbeweglich, statisch, „tot“, sondern dynamisch und lebendig, und obwohl dies ein Paradoxon schafft, kann es dadurch erklärt werden, dass alle Dualismen in der Einheit Gottes verschwinden.

Sowohl ontologisch als auch epistemologisch vertrete ich eine platonische Sichtweise, die mit der buddhistischen Philosophie verknüpft ist. Daher glaube ich, dass es Formen gibt (Platon nennt sie Ideen), die natürlich ideal sind, während unsere Welt nur eine Manifestation ist und als solche jedes greifbare Ding Anteil an der Form hat, so dass das Ding aufgrund seines Anteils mit der Form das Ding ist. Gleichsam können wir Dinge nur aufgrund der Form erkennen. Dennoch besteht jedes fassbare Ding nicht nur aus seiner Form, sondern es kommen ihm auch Akzidenzien zu. Während also die Form, die Idee, die Natur selbst ist und die Natur selbst im Bereich der Ideen und nicht in unserer immanenten Welt existiert, ist das Ding in dieser Welt niemals vollkommen, sondern nur ki-tov, ein Begriff, den ich aus dem Buch Genesis, und damit aus dem jüdischen Schöpfungsmythos, übernommen habe. Wir sind nie in der Lage, die reine Form wahrzunehmen, sodass sie nicht in der Sinnenwelt als solche greifbar ist. Unsere Verfehlungen führen dazu, dass wir oft falsche Vorstellungen von den Dingen bekommen. Deshalb brauchen wir eine Reinigung, denn wir müssen uns von falschen Überzeugungen befreien: Leere oder Shunyata hilft uns dabei, die Verfehlungen zu entlarven, weil wir die Dinge allzu oft für selbstverständlich halten und so in den Dingen etwas sehen, was sie nicht sind. Leere ist also die Abwesenheit von Verunreinigungen, obwohl wir niemals vollkommen sind. Daher bedeutet die Erkenntnis der Leerheit nichts anderes, als unsere eigene Ignoranz zu überwinden, die unseren Reinigungsprozess behindert! Dass Shunyata uns dabei hilft, die Form innerhalb der Dinge zu begreifen, und uns daher dabei unterstützt, Dinge nicht mit etwas zu verwechseln, was sie nicht sind, wird auch im Herz-Sutra gelehrt: „Form unterscheidet sich nicht von Leerheit, Leerheit unterscheidet sich nicht von der Form“6.

Schließlich können wir hier eine Divergenz in der Verwendung des Begriffs Natur erkennen. Einerseits habe ich darauf hingewiesen, dass sie aus Gott fließt, und andererseits habe ich darauf hingewiesen, dass nur die Ideen wahre Natur sind. Klar ist, dass die ideale Welt die Natur an sich ist: Sie enthält die ganze Welt durch die Ideen, während im Gegensatz dazu die sinnlich wahrnehmbare Welt nur eine unvollkommene Kopie ist. Wenn wir sagen, dass die Schöpfung aus Gott hervorgeht, müssen wir verstehen, dass es sich nicht um eine unmittelbare Schöpfung handelt, in der alles nur durch Gottes Gedanken kopiert wird, sondern dass die Schöpfung verschiedene Bereiche durchlaufen muss. Alles, was existieren kann, hat also einen idealen Zustand in der Welt der Ideen, während das, was wir wahrnehmen, nicht wirklich wahr ist, da es nicht ideal ist; wir können es in Platons Formel zusammenfassen: “καὶ τὰ μὲν δὴ ὁρᾶσθαί φαμεν, νοεῖσθαι δ’οὔ, τὰς δ’αὖ ἰδέας νοεῖσθαι μέν, ὁρᾶσθαι δ’οὔ” (Politeia, 507b). Wir wissen von Hegel, dass der Geist das Göttliche ist, und ich habe bereits klargestellt, dass die Vernunft insgesamt das Absolute als Ganzes ist, sodass der Geist im Menschen als Verbindung mit Gott zu sehen ist. Der Geist ist natürlich dynamisch, und deshalb können wir mit dem dynamischen Dao nur allzu gut etwas anfangen. Die Idee dagegen ist überhaupt nicht veränderbar. Durch die Integration der Idee in einen dynamischen Prozess verändert sich die Idee selbst nicht, wir erhalten jedoch ein Modell, in der eine Reflektion über eine Idee durch ein nicht-göttliches Wesen (z. B. Menschen) und damit einen Austausch zwischen dem Ding als existierendem Ding und unserer Vorstellung von diesem Ding in Übereinstimmung mit der Idee ist. Daher ist das Modell ein Zwischenstadium, in dem Menschen Konzepte gestalten und umgestalten können. Durch das Modell sind wir in der Lage, unsere Visionen zu teilen oder aus einem imaginären Objekt ein bestimmtes Objekt zu erschaffen. Ich habe aber auch gesagt, dass alles um uns herum Natur ist, und wenn wir unsere Natur zerstören, zum Beispiel durch den Klimawandel, dann können wir auf diesem Planeten nicht überleben. Wir können alles kultivieren und doch können wir die Natur nicht ganz loswerden. Wir haben eine tiefe Bindung zu unserer Umwelt, eine ganz persönliche. Wenn wir die Natur wieder so sehen, wie sie ist, und nicht als Mittel der Industrialisierung und des Konsums, dann können wir erkennen, dass wir im täglichen Leben die meiste Zeit nur recht oberflächlich leben. Wir haben hier scheinbar einen Widerspruch, es sei denn, wir sprechen von zwei Formen der Natur, sodass beide Begriffe nicht identisch sind. Und tatsächlich muss ich zugeben, dass das eine knifflige Sache ist. Wenn die Natur nur in der idealen Welt existiert, dann gibt es in der immanenten Welt keine Natur um uns herum. Aber ich habe klar gesagt: Um uns herum ist Natur. Die Emanation, die keine Natur hat, hat also Natur. Hier ist in der Argumentation etwas schief gelaufen, das ist offensichtlich, es sei denn, der Begriff hat zwei Bedeutungen. Und das ist der Fall. Der Gedanke dahinter ist folgender: Wenn die Welt eine Emanation der Natur ist, dann enthält sie Natur, ist aber gleichzeitig eine Illusion, da sie nicht die Natur selbst ist. Andererseits dachten bereits unsere früheren Vorfahren, dass wir „in die Natur eingebettet“7 sind, und tatsächlich muss dies auch wahr sein, und als solche wurde die Natur als die gegebene Schöpfung des gesamten Kosmos angesehen, in dem wir alle kosmischen Kräfte finden. Dennoch entfaltet die Schöpfung als Emanation nur die Natur, ist aber nicht mit der Natur identisch!!! Wir können also sagen, dass sich der Kosmos beim Durchlaufen der verschiedenen Bereiche aus Gott heraus entfaltet und immanent wird. Wenn er sich also Schritt für Schritt manifestiert, verliert er einen Teil seiner Natur, ist aber in gewissem Sinne immer noch natürlich, nicht wahr? (Trotzdem häufen sich durch den Verlust der Natur Illusionen an.) Und indem wir uns mit dem Kosmos verbinden, schaffen wir eine ganzheitliche Einheit, so dass es keine Trennung vom Schöpfer gibt. Unsere Umwelt, eine Bedeutung der Natur, offenbart also die eigentliche Natur dahinter, die im Bereich der Ideen liegt und auf Gott hinweist. Indem wir also zwischen Umwelt und Natur selbst unterscheiden, können wir genau dieses Problem lösen. Daher ist die Schöpfung eine Art Natur, sie ist natürlich, aber sie ist nicht die Natur selbst, sie ist das Ergebnis der Emanation, aber nichts in dieser Emanation ist künstlich, obwohl die Ideen mit Akzidentien zusammengeführt werden. Doch sie sind keineswegs unnatürlich, und sind gleichzeitig aber nicht die Natur selbst. Daher ist die immanente Natur illusorisch, da die wahre Natur nur die Idee ist. Die Natur im Gegensatz zur Kultur ist also das Natürliche, aber das Natürliche ist nicht für sich allein da, sondern aufgrund der Schöpfung Gottes, so dass durch die Dynamik Gottes alles in einem ständigen Fluss ist und der Kosmos immer einer Veränderung unterliegt, im Gegensatz zu den Ideen, die unveränderlich sind. (Obwohl Gott dynamisch ist, ist er keine Illusion, da er die erste Ursache ist und die erste Ursache wahr sein muss, damit alles andere, sogar die Ideen, existieren kann!)

Literatur:

  1. vgl. Timo Schmitz: Die Rückkehr Gottes als Friedensstifter. In: Timo Schmitz: Ist Gott nur für das Gute verantwortlich?. Berlin & Vachendorf: Graf Berthold Verlag, 2022; vgl. auch Joseph Ratzinger: Was ist Atheismus?. In: Werner Trutwin (Hrsg.): Theologisches Forum, Band 1: Gespräch mit dem Atheismus. Düsseldorf: Patmos Verlag, 1970, S. 13-16.
  2. Jill Zimmerman: Isaac Luria’s Creation myth. Sefaria Source Sheet, 10 February 2015. https://www.sefaria.org/sheets/7669, aufgerufen am 29. Juli 2018; vgl. auch Rabbi Benjamin Adler: Introduction to Kabbalah: The Creation Myth. Sefaria Source Sheet, 2016. https://www.sefaria.org/sheets/32246, aufgerufen am 29. Juli 2018.
  3. Sunder Willett: Evil and Theodicy in Hinduism. Denison Journal of Religion Vol. 14 Issue 1, 2015, S. 40-53. Zitiert von S. 43.
  4. Alan Watts: The Myth of Myself – Part 1. Alan Watts Organization. 19. April 2019. https://alanwatts.org/1-1-7-myth-of-myself-pt-1/, aufgerufen am 29. Januar 2022.
  5. When Christ Jesus sets you free you will be free indeed – Testimony of Heavenly man Brother Yun. Tamil Christian Sound Doctrine Resources-King of King’s Christ Jesus Vision Inscribed In Touch, Upload am 27. Januar 2014. https://www.youtube.com/watch?v=at1CaBmTWUg, aufgerufen am 18. Januar 2023.
  6. Seung Sahn (Ed.): Chanting with English translations and Temple Rules. Cumberland (RI): The Kwan UM – School of Zen, o.J., S. 11.
  7. Henri Frankfort & H.A. Frankfort: Introduction. In: Henri Frankfort, H.A. Frankfort, John A. Wilson & Thorkild Jacobsen: Before Philosophy. A study of the primitive myths, beliefs, and speculations of Egypt and Mesopotamia, out of which grew the religions and philosophies of the later world. Middlesex: Penguin Books, 1954, S. 11-38. Zitiert von S. 12.

Veröffentlicht am 12. April 2024

Jesus, der Gelehrte, der das Gesetz auslegte

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Jesus as interpreter of the Law [21. November 2022]

Gegenstand der Lehre Christi war das Wort Gottes. Er begegnete den Fragenden mit einer klaren Antwort: „Es steht geschrieben“, „Was sagt die Schrift?“ „Wie liest du?“ Bei jeder Gelegenheit, ob nun bei Freund oder Feind ein Interesse geweckt wurde, verkündete er das Wort. Mit Klarheit und Kraft verkündete er die Botschaft des Evangeliums. Seine Worte warfen eine Lichterflut auf die Lehren der Patriarchen und Propheten, und die Heilige Schrift erschien den Menschen als eine neue Offenbarung. Nie zuvor hatten seine Zuhörer im Wort Gottes eine so tiefe Bedeutung wahrgenommen.

Ellen G. White: The Ministry of Healing, 1905, Chapter 1.

Im Neuen Testament finden wir oft eine Opposition zu den Pharisäern, wo Jesus seine Unzufriedenheit mit ihnen zum Ausdruck bringt. Die Pharisäer waren Anhänger des rabbinischen Judentums in der Zeit des Zweiten Tempels, und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Evangelien nicht von Jesus, sondern viel später geschrieben wurden, sodass sie nicht unbedingt die tatsächliche Haltung des historischen Jesus gegenüber den Pharisäern widerspiegeln. Seine Lehren weisen scheinbar gewisse Ähnlichkeiten sowohl zu den Pharisäern als auch zu den Essenern auf, denn Jesus selbst stellt in der Bergpredigt, die meiner Meinung nach eine recht authentische Lehre ist, klar, dass er gekommen ist, um zu erfüllen und nicht, um zu zerstören, und untermauert seine Argumente mit dem, was in den jüdischen Schriften geschrieben steht. Daher hat Jesus die Heilige Schrift keineswegs geleugnet, sondern sie unterstützt. Andererseits erfahren wir, dass er enge Beziehungen zu Johannes dem Täufer hatte, dessen asketische Praktiken an die Essener erinnern, und auch Jesus selbst soll ein Wanderer gewesen sein, ein Prediger, der sich an die Einfachen wandte, die am Rande der Gesellschaft standen.  Die im Neuen Testament geäußerte Kritik an den Pharisäern besteht darin, dass sie ein sehr strenges Verständnis des Gesetzes hätten, aufgrund ihres angeblichen „engen“ Verständnisses jedoch den eigentlichen Sinn nicht wirklich verstehen würden. Ein zweiter Kritikpunkt besteht darin, dass sie sich selbst als Elite verstanden und sich damit über die anderen stellten. Da es sich bei den Autoren des Neuen Testaments größtenteils um hellenisierte Juden und Neukonvertiten handelte, während das rabbinische Judentum eher als „puristischer“ und gegen ausländische Einflüsse gerichtet verstanden wurde, dürfte uns die Kluft nicht überraschen.

Die Art und Weise, wie die Pharisäer im Neuen Testament dargestellt werden, ist also eine klare politische Positionierung der Autoren, nicht von Jesus. Zumal viele Lehren Jesu mit denen der Pharisäer übereinstimmen, wie zum Beispiel die Nächstenliebe und die Auferstehung der Toten. Die Idee einer solchen Auferstehung ist im Judentum des Zweiten Tempels sehr verbreitet und findet sich auch in apokryphen Werken wie dem Buch Henoch, das um 200 v. Chr. und damit 200–300 Jahre nach der endgültigen Zusammenstellung des Buches Genesis zusammengestellt wurde. (Die Wurzeln des Henochbuches gehen jedoch eindeutig auf die Zeit des Ersten Tempels zurück, obwohl das Buch viele Ideen enthält, die in der Zeit des Ersten Tempels abgelehnt wurden, einschließlich eines endgültigen Gerichts, während Schlüsselideen des mosaischen Gesetzes, die damals eine herausragende Rolle spielten, im 1. Henoch völlig fehlen oder irrelevant sind. Die endgültige Fassung, die uns heute vorliegt, ist also sehr viel jünger.) In Matthäus 4:17 steht auf Griechisch geschrieben: “Ἀπὸ τότε ἤρξατο ὁ Ἰησοῦς κηρύσσειν καὶ λέγειν Μετανοεῖτε, ἤγγικεν γὰρ ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν.” Das christliche Verständnis ist daher höchst apokalyptisch. Nach Ansicht des Autors ist ein neues Zeitalter angebrochen. Diese Ansicht steht im Einklang mit der jüdischen Lehre: Jesus kam nicht, um das Gesetz zu ändern, sondern um es zu erfüllen, wie er selbst sagt. Zumindest soll er es so gesagt haben. Um das Gesetz zu erfüllen, musste er über profunde Kenntnisse der jüdischen Gesetze verfügen, weswegen er selbst ein rabbinischer Gelehrter gewesen sein muss, da er sonst die Menschen nicht davon überzeugen könnte, dass er das Gesetz erfüllen möchte. Wie Bart Ehrman zu Recht fragte: „Nun, die Frage ist, wie kommt es, dass ein jüdischer Prediger, der das bevorstehende Ende des Zeitalters, wie er es kannte, vorhersagte und schließlich für seine Botschaften gekreuzigt wurde, wie kommt es, dass er von einem gekreuzigten Bauern zum zweiten Mitglied der Dreifaltigkeit wurde?“1 Und Ehrman gibt eine faszinierende und überzeugende Antwort auf diese sehr grundlegende Frage: „Und der Grund dafür ist, dass seine Anhänger, wenn Jesus nicht von ihnen zu Gott erklärt worden wäre, eine Sekte innerhalb des Judentums geblieben wären – eine kleine jüdische Sekte. Und wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es nicht viele Nichtjuden angezogen. Wenn sie nicht eine große Zahl von Nichtjuden angezogen hätten, hätte es in den ersten drei Jahrhunderten nicht die stetige Konversionsrate zum Christentum gegeben. Sie wären eine kleine jüdische Sekte geblieben. Wenn das Christentum nicht zu einer beträchtlichen Minderheit im Reich geworden wäre, wäre der römische Kaiser Konstantin mit ziemlicher Sicherheit nicht konvertiert.“2 Der neue Offenbarungscharakter ist also nicht Jesus zu verdanken, sondern seine Anhänger und Bewunderer haben etwas Großes aus ihm gemacht. Wir finden im Evangelium zahlreiche Anekdoten darüber, wie er Menschen heilte und zahlreiche Wunder vollbrachte. Bei Matthäus gibt es ein Gleichnis nach dem anderen, und doch sehen wir, dass sowohl Inhalt als auch Kontext recht lose eingebettet sind. Durch den Aufbau einer tiefgreifenden Theologie rund um diese Berichte, Anekdoten und Gleichnisse wurde der Mythos von Jesus geschaffen, weitererzählt und viel später ausgearbeitet. (Mythos bedeutet hier übrigens nicht eine Lüge oder Unwahrheit, sondern eher so, wie Frankfort & Frankfort oder Weinreb diesen verstanden haben.)

Dennoch ist es wahr, dass die spirituelle Qualität, die mit Jesus verbunden ist, die spirituelle Heilung sein muss. Wir vertiefen unseren Glauben und sind bereit, unser Herz für die Reinigung zu öffnen. Wir sind bereit, unsere Seele zu reinigen, wenn wir erkennen, dass wir als Menschen immer unvollkommen sind und jeder von uns ein Sünder ist. Deshalb sollten wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern erkennen, dass auch wir in unserem Leben viele Fehler gemacht haben, und anderen gegenüber Liebe und Mitgefühl zeigen, denn sie sind nur Menschen, genau wie du und ich.

Literatur:

  1. Bart Ehrman, in: Terry Gross (Host): Fresh Air Episode: If Jesus Never Called Himself God, How Did He Become One?. NPR, 7. April 2014. https://www.npr.org/transcripts/300246095, aufgerufen am 24. Oktober 2022.
  2. ibid.

Veröffentlicht am 11. April 2024

Philosophie als Gottesdienst

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Philosophy is a pious service for God [14. November 2022]

“Das alte Ägypten war ein blühendes altes Königreich Nordostafrikas, das im Niltal lag, weder in „Kleinasien“ noch im „Nahen Osten“. Die ägyptische Zivilisation der Pharaonenzeit (3400–343 v. Chr.) war ihrem Wesen nach, d. h. im Wesentlichen eine afrikanische Zivilisation, aufgrund ihres Geistes, ihres Charakters, ihres Verhaltens, ihrer Kultur, ihres Denkens und ihres tiefen Gefühls. […] Oben wurde gesagt, dass Philosophie als systematisches reflexives Denken über das Leben definiert werden könne. Es gibt keine einzige Philosophie, die außer in Bezug auf Leben, Gesellschaft, Existenz und Universum erdacht werden könnte. Sogar abstrakte Überlegungen über die Bedingung oder Qualität des Nichtsseins („Nichts“) beschäftigen sich immer noch mit etwas im Universum, da das Universum die Gesamtheit von allem ist, was ist. Der Mensch muss immer erkennen, was real, wahr, richtig oder dauerhaft ist. Eine solche Einsicht ist Weisheit, denn das Verständnis dessen, was wahr, richtig oder dauerhaft ist, erhebt zwangsläufig den Geist. […] Philosophieren bedeutete nicht nur, über das Leben zu spekulieren und über die Natur nachzudenken, sondern sich auch mit Liebe, intensivem Verlangen und starker Begeisterung auf die Erforschung der Ursachen einzulassen, die der Realität zugrunde liegen, um ein Wertesystem aufzubauen, nach dem die Gesellschaft leben kann.”  

Théophile Obenga: Egypt: Ancient History of African Philosophy. In: Kwasi Wiredu et al.: A Companion to African Philosophy. Oxford: Blackwell Publishing, 2004, 31-49. Zitat von Seite 32 f.

Als jemand, der die antiken Griechen für ihre Philosophie zutiefst verehrt, da sie die europäische Zivilisation hervorgebracht haben, muss ich um der historischen Wahrheit willen nicht weniger zugeben, dass die Griechen nicht die ersten waren, die philosophierten, denn schon die alten Ägypter beschäftigten sich mit etwas, das wir Philosophie nennen können. Dies ist keine Überraschung, denn während Thales glaubte, dass die Seele immateriell und unsterblich sei, ging Homer noch davon aus, dass die Seele aus Fleisch und Blut bestehe und als solche sterben könne. Es gab also tatsächlich einen Paradigmenwechsel in Griechenland.1 Ob Thales ethnischer Grieche war oder Vorfahren anderer ethnischer Gruppen, die zu dieser Zeit in Anatolien lebten, hatte, ist bis heute umstritten. Es wird außerdem spekuliert, dass Thales nach Ägypten reiste, wo er die Wissenschaften lernte. Der Beginn der antiken griechischen Philosophie – wenn wir sagen, dass die wissenschaftliche Philosophie mit Thales begann, während Homer noch mythologische Philosophie betrieb – war also keineswegs rein griechisch, sondern wurde sowohl von den verschiedenen ethnischen Gruppen, die in Ionien lebten, beeinflusst, die die griechischen Philosophen auf die unterschiedlichen Mentalitäten und Konzepte dieser Gruppen aufmerksam machten, als auch von Reisen nach Ägypten.

Ein wichtiger Terminus hier ist das „spekulative Denken“. Denn Philosophie beginnt, wenn man „über ein Phänomen staunen und mehr darüber wissen möchte“. Es ist der Wunsch, Wissen zu erlangen.2 Philosophie beginnt also mit der Liebe, einer Art Verlangen. Karl Vretska glaubte, dass das Leben für Sokrates ein bescheidener Dienst für den großen Daimon Eros war, was zu dem Wunsch führte, die Jugend aufzuwecken, um in Zeiten der Unsicherheit Werte zu finden.3 Andererseits zeigte Christina Schefer, dass die Philosophie mit Sokrates’ Dienst für den Gott Apollon begann und daher Philosophie als Dialog mit Apollon verstanden werden sollte, dem einzigen Gott, der nicht lügen kann und daher für die Wahrheit steht.4 Aber eines ist sicher: Philosophie dient Gott. Deshalb ist die atheistische Philosophie meiner Meinung nach etwas ziemlich Merkwürdiges, denn Philosophie ist ein göttlicher Dienst zur Entfaltung der Wahrheiten der Welt, und daher muss die Wahrheit mit Gott in Verbindung gebracht werden. Wie könnte also die Philosophie ihre Weisheit entfalten, wenn die Menschen nicht an Gott und als solchen nicht an die Wahrheit glauben? Wie dem auch sei, das ist nur meine persönliche Meinung und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass viele Menschen darüber anders denken. Ich möchte auch diejenigen nicht diskreditieren, die nicht an Gott glauben. Der Punkt ist, dass ich Philosophie nicht aus der modernen Perspektive sehe, sondern von ihren Wurzeln aus, denn um zu beantworten, was die Philosophie leisten soll, muss man die Anfänge der Philosophie und ihren Zweck verstehen. Philosophie sollte kein Instrument zur Legitimierung kirchlicher Lehren sein, wie es im Mittelalter praktiziert wurde, sondern Philosophie ist vielmehr ein frommer Dienst, den Weg des universellen Gottes aufzuzeigen. Die Philosophie soll uns die Ordnung des Kosmos zeigen und uns den Weg zur Wahrheit zeigen, um auf dieser Grundlage die Werte zu lehren, damit wir in Harmonie leben können. Aber diese Arbeit muss in ständiger Reflexion erfolgen und das bedeutet auch, unsere heutige Gesellschaft, ihre Werte und Maximen zu hinterfragen und stetig weiterzuentwickeln. Das ist nach meinem Verständnis die Essenz der Philosophie. Und deshalb ist es sinnlos, Gott auf wissenschaftliche Weise zu erklären, aber doch ist es irreführend, Gott aus der Wissenschaft herauszuhalten, da dies dem Menschen die Begeisterung für das Unbekannte nimmt und nur an jenes bloße Nachdenken appelliert, in der für die Wunder der Welt, die Freude am Entdecken, kein Platz mehr ist.5

Literatur:

  1. siehe Timo Schmitz: Was soll das Motiv der Grotte in Porphyriosʼ Abhandlung Über die Grotte der Nymphen in der Odyssee (De antro Nympharum) leisten?– Eine exemplarische Betrachtung des traditionellen griechischen Mythos in der platonischen Philosophie in der Spätantike. Trier & Vachendorf: Graf Berthold Verlag, 2022b.
  2. Timo Schmitz: How the Ancients perceived the world and why we should renew our understanding of science. In: Timo Schmitz: A Divinely Way to Philosophy, Vol. 2. Trier & Vachendorf: Graf Berthold Verlag, 2022a.
  3. Vretska, in: Platon: Der Staat (Politeia). Übersetzt und herausgegeben von Karl Vretska. Stuttgart: Reclam, 2015, S. 13.
  4. siehe Christina Schefer: Platon und Apollon – Vom Logos zurück zum Mythos. Sankt Augustin: Academia Verlag, 1996, S. 83 ff.
  5. Schmitz, 2022a.

Veröffentlicht am 10. April 2024

Warum Menschen kein vollkommenes Wissen haben

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Our discourses are nothing more than exchanging propositions with the aim to uncover knowledge [9. November 2022]

Sehr oft schreibe ich in meinen philosophischen Schriften, dass bestimmte Dinge auf eine gewisse Art sein müssen oder dass wir uns nicht mit einer bestimmten Meinung zufrieden geben sollten. Andererseits habe ich deutlich gemacht, dass es nicht die eine Realität gibt und wir immer zweifeln müssen. Wie passt das zusammen? Zunächst bin ich als Mensch natürlich ein begrenztes Wesen, so wie alle anderen Menschen auch, daher habe ich kein absolutes Wissen und möchte mich auch nicht über andere stellen. Ich habe keine besonderen Einsichten, die andere nicht haben oder nicht haben könnten. Der Punkt ist der folgende: Wenn ich für mich selbst nicht sicher wäre, dass die Dinge so sind, wie ich sie beschreibe, dann würde ich nicht darüber schreiben, aber ich weiß auch, dass ich mich natürlich irren könnte und daher gibt es keine Garantie dafür, dass ich etwas wirklich richtig beschrieben habe. Aber nur weil ich nicht die Gewissheit habe, dass ich mit dem, was ich sage, wirklich recht habe, heißt das nicht, dass ich nicht das Recht habe, etwas so zu sagen, als ob es sicheres Wissen wäre, wo doch jeder andere ebenso kein wirklich sicheres Wissen hat. Wenn wir also sagen würden, dass nur Gewissheit zählt, dann müssten wir zu Misologen werden und Platons Phaidon warnt uns ausdrücklich davor. Stattdessen sagt er, dass wir in der Lage sind, der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen, auch wenn wir sie nicht vollständig erfassen können.

Auch wenn unsere Realität eine Konstruktion im Geiste ist, bedeutet das nicht, dass es keine tatsächliche Wahrheit gibt. Doch weil wir die tatsächliche Wahrheit nicht erfassen können, müssen wir versuchen, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Platon unterscheidet im Timaios zwischen Denken und Werden – Das Denken manifestiert sich durch die Ideen und wird zu einer tatsächlich greifbaren Sache, aber da Werden der Veränderung unterworfen ist, gibt es keine alleinige Wahrheit und deshalb spricht er von einem eikos logos – das, was „höchstwahrscheinlich wahr“ ist.1 Ich bin daher der Meinung, dass jeder von uns seine eigene Wahrheit erschafft, indem er echtes Wissen (das a priori ist) mit Annahmen (die a posteriori sind, da sie durch unsere Sinne kommen) vermischt, sodass unser Wissen nicht „rein“ ist.

Und aus diesem Grund ist Pluralismus wichtig, da weder niemand von uns die Wahrheit vollständig kennt. Aber durch die Diskurse können wir versuchen, so viel Wahrheit wie möglich zu Tage zu bringen, obwohl wir nie sicher sein können, dass wir die Wahrheit wirklich erfasst haben, sodass andere eventuell eine andere Meinung haben. Aber der Meinungsaustausch verschafft uns einen größeren Überblick und daher ist es wahrscheinlicher, dass wir Wahrheiten finden, insbesondere wenn wir aus unserer eigenen Filterblase herauskommen und uns anderen Paradigmen widmen. Und da wir natürlich immer denken, dass wir Recht haben, denn sonst würden wir die Aussagen nicht so formulieren, als wären sie Tatsachen, obwohl sie nie mehr als Propositionen sein können, damit andere über unsere Gedanken nachdenken können, die wir geteilt haben.

Literatur:

  1. Siehe auch Platon: Timaios, Griechisch-Deutsch. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Thomas Paulsen und Rudolf Rehn, Stuttgart: Reclam, 2009, Fußbote 11.

Veröffentlicht am 9. April 2024

Warum es wichtig ist, über unseren Glauben zu sprechen!

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Declaring our faith so that others can respect us [11. Oktober 2022]

In einem Artikel von Tao Ye, veröffentlicht in Tianfeng Nr. 501/2021, wird darauf hingewiesen, dass eine Freundschaft mit Aufrichtigkeit und Freundlichkeit begonnen werden sollte, wozu auch gehört, anderen gegenüber zu bekennen, welche Überzeugungen man vertritt, damit andere unsere Entscheidungen, die wir aufgrund unseres Glaubens treffen, respektieren können, ebenso wie wir auch den Glauben der anderen respektieren müssen.1 Das Knifflige dabei ist, dass es einerseits heutzutage üblich ist, seinen Glauben nicht vor jedem zu bekennen, da wir ihn meist als Privatsache betrachten (was er tatsächlich ist und bis zu einem gewissen Grad auch sein sollte), sogar als intime Angelegenheit (was er ebenfalls tatsächlich ist und bis zu einem gewissen Grad auch sein sollte), denn der Glaube eines Menschen ist eine persönliche Entscheidung. Andererseits könnte es vorkommen, dass andere unser Verhalten nicht verstehen, wenn wir ihnen nicht klarmachen, woran wir glauben. Wie sollen andere uns gegenüber respektvoll sein und unser tägliches Leben verstehen, wenn wir nicht mit ihnen über unsere Überzeugungen sprechen? Aber wenn wir das tun, wollen wir natürlich nicht von anderen für das verurteilt werden, an was wir glauben, und ebenso sollten wir andere nicht verurteilen und ihre Überzeugungen respektieren. Die Absicht hinter Tao Yes Analyse ist: „Wir sollten es wagen, unseren Glauben in verschiedenen Gemeinschaften zu bekennen und den Glauben in unserem täglichen Leben zu praktizieren.“2 Aber da verschiedene Menschen unterschiedliche Religionen haben, verstehen einige Menschen möglicherweise nicht alle unsere Entscheidungen, wenn wir ihnen unseren Glauben nicht erklären, da andere in unserer Gemeinschaft möglicherweise eine andere Religion haben oder überhaupt gar keine aktiven Anhänger einer Religion sind.

Sollten wir also wirklich immer allen unseren Glauben offenlegen? Es kommt auf die Situation an! Unter Freunden sollte man immer in der Lage sein, seinen Glauben offen zu bekennen, ohne die Absicht, zu missionieren, denn nur wenn wir unseren Freunden sagen, woran wir glauben, können sie unser Verhalten wirklich verstehen und wir können vielleicht verstehen, warum sie sich anders verhalten. Denn wie sollen sie uns verstehen können, wenn wir ihnen nicht die Hilfe bieten, uns zu verstehen? Gegenseitiger Respekt ist nur möglich, wenn wir mit offenen Karten spielen. Aber dann gibt es natürlich Situationen, in denen es nicht notwendig ist, unseren Glauben zu bekennen. Dennoch sollte es trotzdem keine Hürde sein, denn glücklicherweise steht es in vielen Gesellschaften jedem frei, religiöse Symbole zu tragen: Christen können ihre Religion bekennen, indem sie ein Kreuz als Accessoire tragen, jüdische Gläubige können eine Kippa tragen und muslimische Frauen können ein Kopftuch tragen, um ihren Glauben zu zeigen. Ein offenes Bekenntnis ist also möglich und wenn wir beispielsweise wissen, dass ein Freund Moslem ist, tolerieren wir, dass er im Ramadan nicht zum Mittagessen mitkommen möchte. Wir verstehen aber nur, dass diese Person aus religiösen Motiven handelt, wenn wir den Glauben dieser Person kennen.

Schließlich gehört zur sozialen Interaktion immer auch die Komponente „Glaube“, denn jeder hat eine eigene subjektive Weltanschauung. Wir haben also unsere eigenen Glaubensrichtungen, und Bildung spielt oft eine Rolle bei der Gestaltung einer Weltanschauung, weil wir die Traditionen nachahmen, die uns beigebracht werden. Niemand wird in einem luftleeren Raum geboren, sondern wir werden von unserer Umgebung geprägt. Daher ist keiner von uns frei von jeglichem Glauben, selbst diejenigen, die behaupten, an nichts zu glauben, haben tatsächlich einen Glauben: Sie glauben daran, nichts zu glauben. Es ist nicht immer angemessen, bei einer Kommunikation zuerst unseren Glauben zu bekennen. Wenn wir jedoch feststellen, dass andere unser Verhalten nicht verstehen können, sollten wir ihnen möglicherweise unseren Glauben erklären, damit sie unsere Mentalität verstehen und Fragen stellen können. Wir sollten anderen unseren Glauben nicht aufzwingen, aber wir sollten auch keine Angst davor haben, unsere Ideale zu verteidigen. In einer Freundschaft ist es wichtig, unseren Glauben zu bekennen, damit unsere Freunde Informationen über uns erhalten können, was zu gegenseitigem Verständnis und Respekt führt. Wir vertrauen unseren Freunden und deshalb sollten sie ein sicherer Raum sein, in dem wir unsere Werte und Ideen offen austauschen können.

Literatur:

  1. siehe Tao Ye: How Should Christians Handle Interpersonal Relationships in the Social Context?. Tianfeng No. 501, September 2021, translated by Bei Feng. https://en.ccctspm.org/faithinfo/15032, aufgerufen am 21. März 2022.
  2. ibid.

Veröffentlicht am 8. April 2024.

Neid und Eifersucht sind keine Meinung!

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Which opinions should we take into consideration? [16. August 2022]

„Sokrates: Aber, mein lieber Kriton, warum kümmern wir uns so sehr um das, was die meisten Menschen denken? Denn die vernünftigsten Menschen, deren Meinung es mehr wert ist, in Betracht gezogen zu werden, werden denken, dass die Dinge so getan wurden, wie sie tatsächlich getan werden. […] Indem wir zunächst aufgreifen, was du zuvor über Meinungen sagtest, und fragen, ob wir recht hatten, als wir stets sagten, auf einige Meinungen sollten wir achten, auf andere aber nicht, oder? […] Aber früher, glaube ich, sagten diejenigen, die glaubten, vernünftig zu reden, genau wie ich es jetzt sage, dass von den Meinungen der Menschen einige beachtet werden sollten und andere nicht. In Gottes Namen, Kriton, denkst du nicht, dass das richtig ist?“

Platon: Kriton, 44c, 46c-e

Allzu oft berücksichtigen wir die Gedanken anderer und bewerten ihre Meinung, und wir haben Angst vor der Meinung anderer, aber warum interessiert uns das überhaupt? Warum ist es uns so wichtig, was andere über uns denken? Wenn wir ein spezielles Wissen haben, ist es unwahrscheinlich, dass wir dafür geschätzt werden, denn heutzutage gibt es viele Menschen, die voller Neid und Eifersucht sind. Sie werden uns sagen, dass wir Unrecht haben, ohne ein einziges Gegenargument vorzubringen; sie werden schlecht über uns reden und da sie keine Argumente haben, fangen sie an, unser äußeres Erscheinungsbild zu verurteilen. Und wenn man philosophiert und seine Ergebnisse mit anderen teilt, möchte man vielleicht nur das Beste und hofft, dass auch andere darüber sinnen können, aber stattdessen werden einige unsere edle Absicht nicht erkennen, genauso wie die Athener die gute Absicht des Sokrates nicht erkannten. Er wollte seine zeitgenössische Gesellschaft zum Nachdenken bewegen und anstatt dafür den gebührenden Dank zu ernten, wurde er von den Athenern hingerichtet.

Obwohl wir in westlichen Gesellschaften heute nicht wegen unserer Meinung hingerichtet werden, führt das Teilen unserer Gedanken indirekt auch dazu, dass sich andere dumm fühlen. Sie sehen, dass sie nicht auf den gleichen Gedanken gekommen sind, obwohl sie über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu reflektieren, und schämen sich, dass sie diese Fähigkeit nicht genutzt haben. Einige haben vielleicht andere Ansichten und ihre Überlegungen führten sie zu anderen Schlussfolgerungen, was natürlich völlig legitim ist, denn dadurch können wir mit ihnen diskutieren und streiten. Aber viele Menschen wollen heute nicht wirklich reflektieren und diskutieren, sie wollen sich nicht ernsthaft auf Diskussionen einlassen und versuchen daher alles, um uns zu delegitimieren. Aber wir sollten diese Meinungen nicht besonders schätzen, da sie nicht konstruktiv sind. Manche haben sogar ein Überlegenheitsgefühl und sehen nicht die Notwendigkeit, sich an fruchtbaren Diskussionen zu beteiligen. Daher wird jedes Argument, das gegen sie spricht, als Bedrohung angesehen, was wiederum dazu führt, dass sie sich vor anderen dumm fühlen. Aber wenn sie nicht wirklich an einer ernsthaften Diskussion interessiert sind, sollten wir dann ihre Meinung wertschätzen? Sollten wir Ignoranz so hoch schätzen?

Selbst wenn wir eine Minderheitsstimme sind, kann niemand unsere Gedanken unterdrücken und niemand kann uns zwingen, anders zu denken oder dem zuzustimmen, was andere denken, wenn wir zu einem anderen Schluss kommen. Und wenn unsere Überlegungen dazu führen, dass sich andere Menschen dumm fühlen, sollten wir nicht die Schuld auf uns nehmen. Natürlich sollten wir alle Meinungen berücksichtigen, um an einer Diskussion teilnehmen zu können, aber wenn wir sehen, dass eine Meinung nicht darauf abzielt, eine Diskussion voranzutreiben, sondern dass sie sich gegen uns als Person richtet, um uns kleiner erscheinen zu lassen oder wenn Menschen uns gegenüber im Allgemeinen arrogant und ignorant sind, sollten wir ihre Meinung nicht berücksichtigen und uns nicht darum kümmern, was sie denken , egal ob sie eine Minderheit oder eine Mehrheit sind.

Daher sollten wir alle Meinungen berücksichtigen, die auf eine fruchtbare Diskussion abzielen, nicht aber Meinungen, die sich gegen uns richten, damit wir uns schlecht fühlen!

Veröffentlicht am 6. April 2024

Lass dich von deinen Neidern nicht kleinkriegen!

Von Timo Schmitz. Aus dem Englischen übersetzt vom Autor. Originaltitel: Don’t give in for the people who are jealous of you! [8. August 2022]

„Euthyphron: […] Sie sind eifersüchtig auf solche Männer wie du und ich. Aber man muss sich nur nicht um sie kümmern, sondern geradewegs weitergehen.“

Platon: Euthyphron, 3c

Viele Menschen versuchen uns zu belächeln, weil wir so sind, wie wir sind: Wenn wir im Leben etwas erreicht haben, sind sie neidisch auf unsere Erfolge, und anstatt sich selbst zu motivieren, unserem Beispiel zu folgen und ihren eigenen Weg zu wählen oder ihr Scheitern zuzugeben, löst ihre Eifersucht eine enorme Wut aus, welche sie gegen uns richten. Doch nicht wir haben sie wütend gemacht, die Wut kommt aus ihrem Inneren. Der Buddha lehrte, dass wir durch die drei Geistesgifte verunreinigt werden. Eines dieser Gifte ist Wut bzw. Gier. Deshalb müssen wir unser Verhalten überdenken und uns reinigen. Dennoch sind sich manche Menschen ihres eigenen Leidens einfach nicht bewusst. Diese Menschen denken, dass ihr Leben gut und freudig ist, und sie sehen nicht, wie Gier und Eifersucht in ihnen wirken. Deshalb sollten wir uns durch ihr Verhalten nicht stören lassen, sondern vielmehr uns selbst treu bleiben, so wie Sokrates seine Tätigkeit, nämlich das Philosophieren, bis zu seinem letzten Atemzug verteidigte.

Veröffentlicht am 5. April 2024